Bei einer Diskussionsveranstaltung mit Nachwuchswissenschaftler*innen der Leuphana Universtität Lüneburg und Prof. Dr. Tobias Jenert im Februar 2019 haben wir sehr wohlwollend über die Chancen und Grenzen von studentischer Partizipation in der Lehre diskutiert. Von Tobias Jenert erinnere ich mich sinngemäß an die Behauptung, dass „Student*innen nicht an Entscheidungen beteiligt werden sollten, die die didaktische Gestaltung betreffen“. Diese Behauptung hat er bewusst überspitzt dargestellt und mit dem Argument gestützt, dass Studierende nicht über die notwendige didaktische Ausbildung verfügen würden, um die Tragweite ihrer Entscheidungen einschätzen zu können.

In einem gemeinsamen Text mit Gabi Reinmann habe ich dazu eine ausführlichere Beschreibung gefunden. (vgl. Reinmann/Jenert 2011, 109f). Daraus ergibt sich insgesamt eine kleine Liste von Anforderungen die Student*innen erfüllen müssten, um partizipativ in didaktische Gestaltungen eingebunden zu werden:

  • Didaktische Vorbildung bzw. Ausbildung
  • zutreffende Vorstellung der späteren beruflichen Anforderungen
  • Formulierung eigener Bildungsziele
  • Den Willen Verantwortung für den eigenen Lehr- Lernprozess zu übernehmen

Vor allem den ersten Punkt der Liste finde ich spannend und beachtenswert!

Denn studentische Partizipation in der Lehre hat sicherlich ihre Grenzen und wenn ich hier von Partizipation spreche, schwingt immer ein Stufenmodell von Kerstin Mayrberger mit. Dort heißt es unter anderem, dass eine reine Selbstverwaltung bzw. Selbstorganisation durch die Studierenden ausgeschlossen ist, was ich plausibel finde. 

Und damit Partizipation gelingen kann, müssen bekanntermaßen auch einige Bedingungen erfüllt sein. Es werden entsprechende institutionelle Rahmenbedingungen benötigt, die von den beteiligten Individuen in der konkreten Situation genutzt werden müssen (vgl. Urban 2005, 3). In eine ähnliche Richtung argumentierte auch Herr Jenert, im Rahmen eines anschließenden Mailaustauschs:

“Ich bin sehr dafür, Studierende zur Partizipation zu befähigen. Mehr noch: „Gute“ (Hochschul-) Didaktik ist auf intensive Partizipation angewiesen! Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass jede Partizipation gewissen Kompetenzen voraussetzt”

Daher stellt sich die Frage, ob Student*innen einen partizipativen Freiraum, den ihnen Lehrende als Rahmenbedingung zur Verfügung stellen, überhaupt konkret nutzen können, wenn sie die Bandbreite didaktischer Möglichkeiten nicht kennen?

Eine abschließende Antwort darauf habe ich noch nicht. Allerdings behaupte ich, dass Student*innen in ihrer Lernsozialisation schon sehr viel Berührung mit verschiedenen Didaktiken hatten. Und auf dieses Erfahrungswissen können sie zurückgreifen. Hinzu kommt, dass z.B. in einem Seminar nicht nur das gesammelte Erfahrungswissen einer Studentin steckt, sondern das Erfahrungswissen von vielen verschiedenen Student*innen. Welches dann in einer gemeinsamen Diskussion allen Seminarteilnehmer*innen zur Verfügung steht.

Sicherlich stellt Erfahrungswissen alleine keine Expertise dar, aber auch der*die Lehrende sind ja Teil des Seminars. In einem partizipativen Prozess stellt auch er*sie das eigene Erfahrungs-, Handlungs- und Fachwissen mit zur Verfügung. Es stellt aus meiner Sicht also kein Ausschlusskriterium dar, dass Student*innen nicht oder wenig über didaktisches Wissen verfügen. Zumal didaktisches Wissen ohnehin kein “Herrschaftswissen” der Lehrenden sein sollte, über das nur sie verfügen und über das Studierende im Unwissen gelassen werden sollten. Wenn man also der Annahme folgt, Studierende brauchen zur Partizipation ein Mindestmaß an didaktischer Expertise, dann sollte die Konsequenz daraus sein, sie dabei zu unterstützen, diese Expertise herauszubilden. Wozu wir im übrigen mit diesem Blog und unserem Partizipationslabor einen Beitrag leisten wollen.