Durch die Corona-Maßnahmen hat sich auch die Arbeit der Studien- und Prüfungsbüros der Uni Hamburg erheblich verändert – mit Konsequenzen für die ganze Hochschule. Der Leiter des Studien- und Prüfungsbüro Heino Windt gibt im Interview einen Einblick in die Arbeit vor Ort.

1. Was sind die Arbeitsinhalte des Studien- und Prüfungsbüros der Erziehungswissenschaften?

Erstmal sind Arbeitsaufgaben eines Studienbüros in jeder Fakultät ein bisschen anders – insoweit ist die Zuschneidung der Aufgaben in den Erziehungswissenschaften nicht typisch. Beispielsweise ist dort besonders, dass im Studienbüro die Lehrplanung für die Fakultät zentral erfolgt, ebenfalls die Zuteilung der Räume und Zeiten sowie das Einstellen der Lehrpläne in Stine. In vielen anderen Fakultäten sind diese Aufgaben auf deutliche kleinere Einheiten wie Institute oder sogar Lehrstühle heruntergebrochen. Dazu ist ein großer Bereich in der Lehrveranstaltungsplanung die Härtefallbearbeitung – dass Studierende aufgrund besonderer Bedarfe bestimmte Veranstaltungen zeitlich oder auch manchmal thematisch zwingend benötigen.

Der nächste Aufgabenbereich ist der Bereich Prüfungsverwaltung, also die Organisation von Orten, Zeiten, der Stine-Prüfungslisten sowie der Bearbeitung von Sonderanträgen und Einzelfallberatung. Dazu ist ein ganz großer Bereich die generelle Beratung von Studierenden oder Lehrenden in Studien- und Organisationsfragen. Insoweit ist der allgemeine Betrieb von Studium und Lehre unsere Kernaufgabe.

2. Wie hatte sich diese Arbeit im letzten Semester durch die Corona-Maßnahmen verändert?

Erheblich! Was ich besonders furchtbar fand und weiter finde: Wir dürfen keine offenen Sprechstunden anbieten. Das ist für ein Studienbüro an einer großen Universität ein Riesenproblem, weil ein Großteil der Struktur so ist, dass sich zu bestimmten Zeiten große Schlangen bei uns bilden und Menschen auf Bänken oder sogar auf dem Boden warten, um Hilfe in der Einzelberatung zu erhalten. Das mag zwar nicht unbedingt das beste System der Welt gewesen sein, aber bisher kenne ich kein besseres System an Großunis. Nun ist im März aus dem Nichts heraus der gesamte Beratungsapparat des Studienbüros zusammengebrochen. Es können zwar Anträge auf Zeugnisse oder Ähnliches per Mail gestellt werden, aber sobald es um weniger eindeutige Fragen geht, ist die offene Sprechstunde extrem wichtig. Die war wie gesagt erst mal einfach weg und wir sind langsam dabei, dafür Alternativen aufzubauen – das läuft aber noch eher schlecht als recht.

Darüber hinaus ist auch der sonstige Umlauf viel mühsamer geworden: Alles, was Studierende wollen, Anfragen, die schriftlich oder in der Telefonsprechstunde kommen, Nachfragen und Klärungen – oft müssen sich auch zwei Kolleginnen koordinieren, um eine gute Antwort herauszufinden und Antworten müssen sich praktisch erweisen. Auch können wir nicht mehr einfach Räume buchen, sondern müssen sehr viel enger und strenger mit genauen Listen jeden Raum genau einteilen – alles muss genau passen, das ist eine echte Herausforderung, da man für so eine Situation mehr Kapazitäten, mehr Übung und mehr Personal braucht, welche aber nicht von heut auf morgen zu bekommen sind. Insoweit würde ich sagen, dass sich die Realität in der Arbeit mit Studierenden und Lehrenden komplett verändert hat, ohne, dass sich schon eine neue Normalität eingestellt hat. Wir tasten uns aktuell vor, wie wir wieder in eine intensive Arbeit mit den Betroffenen hineinkommen.

3. Was sehen Sie vor diesem Hintergrund für Herausforderungen für das kommende Semester?

Ich denke, herausfordernd wird vor dem Hintergrund, dass sich erst mal alle gemeinsam über Corona erschrocken haben und gemeinsam ratlos waren, nun aber die persönlichen Dispositionen zu dem Thema etwas auseinander gehen: Die Einigkeit, dass man erst mal ausharren müsse, sowie die Bereitschaft, das so zu sehen, wird weniger. Leute müssen studieren und Prüfungen machen – viele Hindernisse sind doch deutlich größer als man am Anfang gehofft hat. Auf der FAQ-Seite stand ja sogar „Keiner wird einen Nachteil haben“ – das ist faktisch natürlich nicht möglich in so einer Situation. Deshalb denke ich, dass die Nerven insgesamt blanker liegen und mit mehr Robustheit agiert werden wird.

4. Erwarten Sie auch Verbesserungen und Erleichterungen?

Besser werden könnte, dass die Leute nun Zoom kennen, wissen, worauf sie sich einlassen und etwas routinierter im Umgang damit sind. Wir als Studienbüro versuchen jetzt durch Zoomsprechstunden mehr Interaktion zu bieten und die Beratungssituation zu verbessern, aber es ist schwer einzuschätzen, da glaube ich niemand mehr die Hoffnung hat, dass die Situation bald vorbei ist. Es wird aber auch im nächsten Semester schwierig sein, große Veranstaltungen zu machen oder, dass viele Menschen ungeregelt durcheinander laufen. Dazu hatten wir im Sommersemester bei uns wenig Studienanfänger, nun haben wir die ganze Kohorte, die bald ihren ersten Tag haben werden und sich fragen „wohin?“ – ins Kinderzimmer vor den Rechner? Es fängt eben ein neuer Lebensabschnitt an für viele junge Menschen und die Aussichten sind meinem Eindruck nach bisher nicht so spontan positiv.

Auf der anderen Seite denke ich persönlich, dass es kein Verlust ist, keine Großvorlesungen mehr zu haben und weniger bis gar keine Klausuren mehr zu schreiben – beides hat mich noch nie überzeugt. Auch sind die Online-Treffen mitunter mit viel weniger Aufwand verbunden, was manchen durchaus gut tut. Allerdings hab ich auch das Gegenteil erlebt: Dass es ein echter Verlust ist, nicht einen Menschen direkt vor sich zu haben, beispielsweise nervt mich, dass wir unsere Teamtreffen digital – am Anfang sogar noch als Telefonkonferenz – machen müssen. Generell denke ich, dass eine Großuni viel ungeregeltes Chaos benötigt und das wird mittelfristig echt schwer werden.

5. Gibt es etwas, was Sie sich von den Lehrenden wünschen, was diese noch mehr in Bezug auf die Arbeit des Studien- und Prüfungsbüros tun können?

Über die Lehrenden in der Erziehungswissenschaft bin ich – mit ganz wenigen Ausnahmen – sehr froh, da sie sehr gut und respektvoll mit dem Studienbüro interagieren und sehr viel Verständnis hatten für die beschriebenen Schwierigkeiten. Was mich bei der zwischenzeitlichen Diskussion über die Überlast des akademischen Mittelbaus sehr geärgert hat, dass die Situation des technischen und Verwaltungspersonals mit ohne Ende Extraarbeit dabei nicht vorkam. Das ist aber weniger ein Vorwurf an die Lehrenden in der Erziehungswissenschaft, sondern das war eine recht seltsame Diskussion, die durch die Uni Hamburg gerauscht ist. Ansonsten bin ich sehr froh gewesen, dass wir die meisten entstandenen Probleme recht schnell gemeinsam lösen konnten – auch mit viel Verständnis, dass Dinge nun einfach länger dauern und das Präsenzlehre schwierig umzusetzen ist. Allerdings denke ich, dass in Zukunft die Fehler mehr werden können – da müssen einfach alle mehr aufpassen.

6. Und von den Studierenden?

Ich würde mir von den Studierenden tatsächlich wünschen, dass, auch wenn ein junger Mensch ein Problem das erste Mal in seinem Leben hat und es sich durchaus wie das größte und schlimmste Problem der Welt anfühlen kann, er oder sie bedenken, dass noch 42 000 andere Studierende an ihrer Uni studieren, weshalb es sein kann, dass sich nicht alle und nicht immer sofort ganz akkurat um ihr Problem kümmern. Insoweit wünsche ich mir in diesen Fällen einfach ein wenig mehr Geduld und gerade in der Erziehungswissenschaft etwas mehr Vertrauen darauf, dass wir in dieser Fakultät Lösungen für ihre Probleme finden. Manche Dinge brauchen einfach etwas mehr Zeit. Auf der anderren Seite bin ich beispielsweise auch schon sehr stolz darauf, dass wir in der Situation, wo die Bibliotheken zu waren, gemeinsam mit dem Prüfungsausschuss die Prüfungsfristen verlängern konnten und es geschafft haben, für alle Situationen prüfungsrechtliche Wege zu finden – bis heute haben wir aus der Zeit keinen einzigen streitigen Widerspruch. Solche positiven Dinge sollten gerade in den aktuellen Zeiten vieler Negativberichte unbedingt wahrgenommen werden.

Das Interview führte Eric Recke.